Donnerstag, 4. April 2013

Ingeborg Urbach läuft nicht mehr - "Läufer sind glückliche Menschen" (Jeff Galloway)

Ingeborg auf Robben Island, Südafrika, 2007
Für Ingeborg ist Jeff Galloways Statement zu 100 % gültig. Laufen und Leben waren für Ingeborg synonyme Begriffe. Wenn Ingeborg lief, war das Leben schön. Ein Leben ohne Laufen war für sie kaum denkbar. Wir kennen Ingeborg nur als ungewöhnlich freundliche, lustige und sehr herzliche Person, deren großes Herz Platz bot für viele Läufer der Kölner Szene und darüber hinaus. Besonder imponiert hat uns Ingeborgs Optimismus. Seit etlichen Jahren kämpfte sie gegen Gesundheitsprobleme an und musste sich darum bremsen, ohne das Laufen aufzugeben. Gegenüber Freunden machte Ingeborg aus ihren Problemen kein Geheimnis, fügte aber immer sogleich hinzu, dass sie um ihr Leben kämpfen werde, um weiter Laufen zu können. Aus dem Laufen bezog Ingeborg eine geradezu unglaubliche Kraft. Bei einer unserer letzten Begegnungen berichtet Ingeborg über ihre Krebserkrankung. Ehe sich Betroffenheit ausbreitet, spricht sie von vielen schönen Läufen, die sie sich für die nächste Zeit vorgenommen hat. Am 20.04.2013 erreicht uns die traurige Nachricht, dass Ingeborg nicht mehr läuft. Sie ist am 4. April 2013 im Alter von 59 Jahren verstorben und hinterlässt in der Kölner Laufszene eine schmerzhafte Lücke. Diashow einiger Fotos

Über viele Jahre bilden die von Helmut und Ingeborg Urbach mit dem GSV Porz organisierten Laufveranstaltungen Fixpunkte unserer jährlichen Wettkampfplanung. Helmut und Ingeborg sind nicht nur Motor, Geist und Seele ihrer eigenen Laufveranstaltungen, bei Bedarf stehen sie im Kölner Raum auch für benachbarte Laufveranstaltungen helfend bereit. Wenn die Hilfe der Urbachs nicht angefordert wird, laufen sie natürlich selbst aktiv.

Beide Urbachs können mit Stolz auf eine lange Laufkarriere zurückblicken, in der vor allem Helmuts Spitzenleistungen auch im internationalen Maßstab glänzen. Seine 7 Gesamtsiege über 100 km von Biel dürften kaum zu überbieten sein. Die Weltbestleistung über 100 km verbesserte Helmut gleich mehrmals. Mehrere Streckenrekorde sind mit seinem Namen versehen. Den Königsforst-Marathon gewann Helmut nicht weniger als fünf Mal. 1973 erzielte er auf dieser profilierten Naturstrecke seine Bestzeit von 2:25:46 Stunden, die bis heute als Streckenrekord unerreicht ist. Als 'Weltmeister' bezeichnen ihn seine Freunde und würzen ihre Bewunderung schmunzelnd mit leichter Ironie. Im Unterschied zu Helmut ist Ingeborg kein läuferisches Naturtalent, aber sie verfügt über die gleiche Leidenschaft wie Helmut und darüber hinaus über eine Zähigkeit, die vielen Menschen unverständlich bleibt. An mehr als 100 Marathonläufen und mehr als 50 Ultraläufen nimmt Ingeborg erfolgreich teil. Ihre Bestleistung über 100 km von 9:51:55 Stunden im Jahr 1996 und mit 192,239 km über 24 Stunden im gleichen Jahr beeindrucken. Mit ihren Leistungen zählt Ingeborg zu den herausragenden Persönlichkeiten der deutschen Szene des Ultralaufs.

Geburtstagslauf im Jahr 2000
Am Vorabend des Alb-Marathons, 2000
Die 100 km von Biel sind für die Urbachs der ‚Lauf der Läufe’, den sie möglichst nie versäumen. Nach ihrer leistungsorientierten Karriere laufen sie in Biel mitunter auch gemeinsam. „Ich kann doch meinen ‚Dicken’ (so bezeichnet sie Helmut im Gespräch mit Freunden) nicht im Stich lassen“, erklärt uns Ingeborg nach einem Lauf in Biel, bei dem Helmut ohne Ingeborgs Unterstützung das Ziel vermutlich nicht erreicht hätte.
Unsere persönliche Verbundenheit setzt ab dem Jahr 1990 mit regelmäßigen Teilnahmen an Laufveranstaltungen des GSV Porz ein. Zufällige Begegnungen bei überregionalen oder internationalen Laufveranstaltungen lösen grundsätzlich herzliche Begrüßungen mit großem Hallo und angeregten Gesprächen unter Lauffreunden aus. Besondere Plätze in unserer Erinnerung nehmen gleich mehrere Begegnungen ein:
  • 1996 hocken wir auf der Nachfeier des Monschau-Marathons noch lange zusammen und tauschen alte Geschichten aus. Eine uns besuchende australische Freundin läuft mit und schwärmt bis heute von der in Monschau erlebten Atmosphäre.
  • 1997 (oder 1998?) treffen wir Ingeborg und Helmut nach dem Rursee-Marathon mit einer Gruppe Porzer Läufern bei der Nachfeier der Marathongemeinde im Festzelt. Ingeborg zeigt sich feierwütig und drängt immer wieder auf das Tanzparkett. Als Ausdruck ihrer Lebensfreude demonstriert Ingeborg mühelos Spagats in exzellenter Technik.
  • Die Urbachs anlässlich der 100 km in Biel 1998 zu treffen, überrascht nicht, freut uns aber als Neulinge des Events ganz besonders. Sie stimmen uns auf das Ereignis ein, machen uns mit Läuferpersönlichkeiten bekannt und bemühen sich um den Abbau unserer Anspannung. 
  • Im Jahr 2000 laden wir zum Anlass unseres Geburtstages Freunde zu einer privaten Laufveranstaltung ein. Die Urbachs ehren uns mit ihrer Teilnahme und unterhalten mit ihrem sprichwörtlichen rheinischen Humor die Teilnehmer.
  • Die Begegnung im Jahr 2000 in Schwäbisch-Gmünd ist eine echte und sehr schöne Überraschung. Die Teilnahme der Urbachs haben wir hier nicht vermutet. Der Alb-Marathon über 50 km ist eine eher kleine Veranstaltung, deren anspruchsvolle Strecke vor allem Bergspezialisten anzieht. Wir sind zwar keine Bergspezialisten, aber die Wertung des Ultra-Europacups hat uns im Vorjahr auf diesen Lauf aufmerksam gemacht. Der Alb-Marathon wird zu einem unserer Lieblingsläufe, dem wir über mehrere Jahr treu bleiben.
  • Vermutlich im Jahr 2001 erkennen wir bei einer unserer diversen Teilnahmen am Königsforst-Marathon auf einem Wendepunktabschnitt etwa 2 km vor dem Ziel Ingeborg vor uns. Sie sieht uns ebenfalls. Kampflos möchte sie sich natürlich nicht überholen lassen und schaltet einen Gang höher. Wer den Königsforst-Marathon kennt, kennt auch die moderaten Anstiege auf dem letzten Kilometer, die nicht wirklich hart sind, aber trotzdem schmerzen. Auf dem Zielabschnitt scheinen Ingeborg die Körner auszugehen. Wir kommen schnell näher, empfinden es aber als ungehörig, einfach vorbeizulaufen und rufen daher: „Ingeborg, wir kommen!“ Diese Warnung verleiht Ingeborg noch einmal schnelle Beine, so dass sie unmittelbar vor uns durch das Ziel läuft. Herzlichen Glückwunsch!

Motiv auf Robben Island, 2007
Motiv auf Robben Island, 2007
Herausragend ist eine Begegnung von 2007 in Kapstadt, Südafrika. Wir sind das fünfte Mal vor Ort, um am Two Oceans Marathon über 56 km teilzunehmen. Den Tag vor dem Lauf wollen wir für einen Ausflug nach ‚Robben Island’ nutzen, eine ehemalige Gefängnisinsel mit Arbeitslager vor Kapstadt, auf der während der Apartheid Regime-Gegner inhaftiert waren. 18 Jahre verbrachte der damalige ANC-Rebellenführer Nelson Mandela auf 'Robben Island’ in Haft.
1993 wurde Nelson Mandela der Friedensnobelpreis für seine Politik der Versöhnung verliehen. Von 1994-1999 erwarb sich Nelson Mandela als erster schwarzer Präsident Südafrikas mit seiner Politik höchstes Ansehen in der gesamten Welt.

Treffen in Kapstadt, 2007
Überfahrt nach Robben Island, 2007
Am Ticketschalter in Kapstadt tippt uns jemand auf die Schulter. Es sind die Urbachs, die zum Two Oceans Marathon angereist sind und auch heute das gleiche Ziel wie wir haben. Auf beiden Seiten löst unsere Begegnung spontane Freude aus. Die äußerst beeindruckende Besichtung nehmen wir natürlich gemeinsam wahr. Die emotional bewegende Führung leiten ehemalige Häftlinge, die Nelson Mandela persönlich als Mithäftling kennen.
Der Tod liebenswerter Menschen hinterlässt Schmerzen bei den Überlebenden. Immerhin bleiben uns intensive Erinnerungen an gemeinsame gute Zeiten erhalten. Wir trösten uns mit der Vorstellung, dass Ingeborg als Läuferin ein glückliches Leben geführt hat und jetzt glücklich in einer anderen Welt läuft.

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